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Blutentnahmen ohne richterliche Anordnung selten unverwertbar

Nach einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 12.02.2007 war die Frage eines Beweisverwertungsverbotes aufgekommen. Sie wird dabei tendenziell mit dem Hinweis verneint, dass es sich um einen relativ geringfügigen Eingriff handele und es um einen nur einfachgesetzlichen Vorbehalt gehe.

Nach dieser Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) war die Frage eines Beweisverwertungsverbotes aufgekommen, wenn die zum Nachweis einer Trunkenheitsfahrt erforderliche Blutprobe unter Missachtung des in § 81a Abs. 2 StPO normierten Richtervorbehaltes entnommen wurde. Es folgte eine inzwischen unüberschaubare Rechtsprechung, bei der vor allem der Gesichtspunkt eine Rolle spielt, ob „Gefahr in Verzug“ die Eilzuständigkeit der Polizeibeamten begründet hat.

Die Frage eines Beweisverwertungsverbotes wird dabei tendenziell mit dem Hinweis verneint, dass es sich um einen relativ geringfügigen Eingriff handele und der in § 81a Abs. 2 StPO enthaltene Richtervorbehalt lediglich ein einfachgesetzlicher Vorbehalt sei, d.h. nicht unmittelbar durch Verfassungsrecht vorgegeben.

Beweisverwertungserbot wird nur in Ausnahmefällen bejaht

Allerdings kann, wie u.a. die Entscheidung des OLG Hamm vom 12.03.2009 (Az.: 3 Ss 31/09) zeigt, ein Beweisverwertungsverbot anzunehmen sein, wenn nach den objektiven Umständen die einschreitenden Polizeibeamten willkürlich den Richtervorbehalt nicht berücksichtig oder sich über ihre Ausnahmezuständigkeit zur Anordnung einer Blutentnahme überhaupt keine Gedanken gemacht haben (frei nach dem Motto: Anordnung durch die Polizei ist Alkohol- und Drogenvergehen gängige Praxis).

Die Ermittlungsbehörden müssen zunächst versuchen die Anordnung des zuständigen Richters zu erlangen, bevor sie selbst die Blutentnahme anordnen. Nur bei Gefährdung des Untersuchungserfolges durch die Verzögerung, die mit der Einholung einer richterlichen Entscheidung verbunden ist, bestehe auch eine Anordnungskompetenz der Staatsanwaltschaft und - nachrangig - ihrer Ermittlungspersonen (Polizei). Die Gefahrenlage müsse dann mit auf den Einzelfall bezogene Tatsachen in den Ermittlungsakten dokumentiert werden, sofern die Dringlichkeit nicht evident sei. Eine generalisierende Überlegung zur Dringlichkeit solle nicht ausreichen (BVerfG, Beschl. v. 11.6.2010, 2 BvR 1046/08).

Fehlen eines richterlichen Eildienstes begründet kein Beweisverwertungsverbot

Hinsichtlich der Frage der Notwendigkeit der Einrichtung eines richterlichen Eildienstes hat das BVerfG in einem Beschluss vom 24.2.2011 (2 BvR 1596/10 u. 2 BvR 2346/10) leider der Auffassung eine deutliche Absage erteilt, welche die Rechtsprechung zur Erforderlichkeit des richterlichen Eildienstes bei der Durchsuchung auf die Blutentnahme nach § 81a Abs. 2 StPO überträgt. Das wird es in Zukunft noch weiter erschweren, unter Hinweis auf einen fehlenden richterlichen Eildienst zu einem Beweisverwertungsverbot zu gelangen.

Im zugrunde liegenden Fall war an einem Sonntag gegen 4.25 Uhr die Blutprobe entnommen worden. Die Polizeibeamten hatten zuvor erfolglos versucht, den staatsanwaltlichen Bereitschaftsdienst zu erreichen. Die Erreichbarkeit des richterlichen Eildienstes hatten sie nicht abgewartet, weil bekannt war, dass zwischen 21.00 Uhr und 6.00 Uhr ein solcher nicht existiere. Mit der Verfassungsbeschwerde war gerügt worden, dass ein richterlicher Eildienst nicht eingerichtet gewesen sei.

Das BVerfG ließ das nicht gelten. Die Rechtsprechung des BVerfG zur Notwendigkeit eines nächtlichen richterlichen Bereitschaftsdienstes betreffe den in Art. 13 Abs. 2 GG verfassungsrechtlich verankerten Richtervorbehalt bei der Wohnungsdurchsuchung. Sie könne nicht schematisch auf den einfachrechtlichen Richtervorbehalt des § 81a StPO übertragen werden, der nicht als rechtsstaatlicher Mindeststandard geboten sei. Selbst wenn das Fehlen des richterlichen Eildienstes der Inanspruchnahme der Eilkompetenz durch die Polizei entgegenstünde, folge daraus von Verfassungs wegen kein Beweisverwertungsverbot. Die Strafgerichte könnten darauf verweisen, dass die Polizeibeamten in einem solchen Fall den Richtervorbehalt nicht willkürlich und zielgerichtet umgehen.

Auch die Verletzung der Dokumentationspflicht (Gründe für die Annahme der Eilkompetenz müssen von der Polizei dokumentiert werden) soll nach dieser Entscheidung des BVerfG nicht zwangsläufig zu einem Beweisverwertungsverbot führen. Jedoch wird betont, dass sich der Dokumentationsmangel - inzident - bei der vom Strafgericht vorzunehmenden Abwägung auswirkte.  Lediglich (nachweisbare) Willkür und besonders schwerwiegende Dokumentationsmängel bzw. Fehler der Polizei könnten somit Mängel sein, die angesichts einer Verletzung des in § 81 Abs. 2 StPO normierten Richtervorbehalts zu einem Beweisverwertungsverbot führen können.
 

Christian Demuth, Düsseldorf, als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht im Bereich Verkehrsrecht tätig: "Für Klarheit sorgen, könnte eine von Land Niedersachsen eingebrachte Gesetzinitiative , wonach der Gesetzesvorbehalt bei Trunkenheitsfahrt  gemäß §§ 316, 315c ff. StGB und § 24a StVG  entfallen soll."

 

Ihr Experte für Fragen zum Verkehrsrecht, Bußgeldrecht und Verkehrs­strafrecht

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