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Unbezahlte Knöllchen aus dem Ausland können bei einer Wiedereinreise viel Ärger verursachen

Manch ein Urlauber merkt erst, wenn er wieder zu Hause ist, dass er im Urlaub vielleicht ein wenig zu schnell unterwegs war oder eine Ampel nicht ausreichend beachtet hat. Vor allem fest installierte Blitzer oder die Überwachungstechnik Section Control sorgen für unliebsame Bußgeld-Briefe aus dem Urlaubsland. Die Vollstreckung solcher Bußgelder ist mittlerweile viel besser organisiert als das noch vor Jahren der Fall war. Gleichwohl läuft vieles sehr schleppend. Und das größte Risiko für den Fahrer bleibt immer noch, trotz eines nicht bezahlten Bußgeldbescheides wieder ins Urlaubsland einzureisen und erwischt zu werden.

Am liebsten kassieren die ausländischen Behörden vor Ort. Und das gerne sehr üppig, denn die Bußgelder liegen im Schnitt deutlich höher als in Deutschland. Beispiel Frankreich: 1.500 Euro kostet das Überschreiten der vorgeschriebenen Geschwindigkeit um 50 km/h. Ein paar hundert Euro kommen auch andernorts schnell zusammen. Und da nicht jeder gleich den passenden Betrag parat hat, begleitet die Polizei sündige Fahrer auch schon mal gerne zum Geldautomaten.

Postalisch ist die Vollstreckung weniger pragmatisch. Sie basiert auf dem Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen und einigen europäischen Regelungen. Allerdings können Bußgelder und die gegebenenfalls dazugehörigen Verfahrenskosten nur dann vollstreckt werden, wenn beide beteiligten Länder die europäischen Regelungen in ihr nationales Recht umgesetzt haben. Das ist bei vielen EU-Ländern der Fall. Italien, Kroatien, Irland und Griechenland sind allerdings noch nicht soweit. Gar nicht vollstreckt werden können Bußgelder aus nicht zur EU gehörenden Ländern. Mit der Schweiz wurde zwar 1999 ein Vertrag über die gegenseitige Vollstreckungshilfe ausgehandelt, dieser ist bis heute jedoch von Deutschland nicht ratifiziert worden.

Unattraktives Verfahren

Der praktische Ablauf gestaltet sich so, dass sich die ausländische Behörde an das Bundesamt für Justiz wendet, das in Deutschland für die Vollstreckung ausländischer Knöllchen zuständig ist. Dieses macht das Bußgeld beim Verkehrssünder geltend. Soweit die Theorie. In der Praxis hapert das ganze System jedoch an einem grundsätzlichen Gestaltungsfehler des Gesetzgebers. Denn das erlangte Geld geht nicht etwa an den Staat, in dem die Ordnungswidrigkeit begangen wurde, sondern es bleibt in der Kasse des eintreibenden Staates. Etwas plakativer ausgedrückt: Gibt es viele Auslandsknöllchen, freut sich Deutschland über Mehreinnahmen. Hinzu kommt, dass die ausländischen Behörden oft nicht wissen, gegen wen sie vorgehen sollen, da sie die deutschen Halterdaten nicht ermitteln können. Wirklich konsequent nutzen derzeit nur die Niederlande dieses System.

Durch eine im März 2013 in Deutschland in Kraft getretene EU-Richtline gibt es eine zunehmende Unterstützung ausländischer Kontaktstellen durch das Kraftfahrt-Bundesamt bei der Ermittlung von Verkehrssündern. Diese Hilfe kommt vor allem bei Geschwindigkeitsübertretungen, Ampelverstößen, dem unbefugten Benutzen eines Fahrstreifens, bei Handyverstößen, Nichtanlegen des Sicherheitsgurtes, nicht getragenen Schutzhelmen und Trunkenheits- bzw. Drogenfahrten zum Tragen. Der ruhende Verkehr, also falsches Parken etwa, ist von dieser Amtshilfe nicht betroffen.

Nicht einfach machen diese Verfahren besonders zwei Aspekte: Zum einen müssen die Unterlagen, insbesondere der Anhörungsbogen oder die Belehrung über Einspruchsmöglichkeiten, in verständlicher deutscher Sprache verfasst sein. Zum anderen gibt es in Deutschland keine Halterhaftung für die genannten Verkehrssünden, sodass ohne geeignetes Foto kaum nachzuweisen ist, ob ein Halter auch gleichzeitig der Fahrer zum Tatzeitpunkt war.

Leitet das Bundesamt für Justiz ein Vollstreckungsverfahren ein, hat der Betroffene zwei Wochen Zeit, sich zum erhobenen Vorwurf zu äußern. Ferner kann er gegen den Bewilligungsbescheid des Bundesamtes Einspruch einlegen. Um dabei Erfolg zu haben, sollten grundsätzlich alle Stellungnahmen gegenüber einer ausländischen Bußgeldstelle dokumentiert und aufbewahrt werden. Denn letztlich können sie einen Hinderungsgrund dokumentieren, der gegen die Einleitung eines Vollstreckungsverfahrens spricht.

Inkassobüros stezen auf Druck und Angst

Einige Länder versuchen diesen Hürdenlauf geschickt zu umgehen, indem sie Inkassobüros auf die Verkehrssünder ansetzen. Diese haben zwar keine Vollstreckungsmöglichkeit, denn die liegt alleine beim Bundesamt für Justiz, sie setzen jedoch auf Druck und die Angst der Betroffenen.

Diese Angst ist in einem Punkt gar nicht so unberechtigt: der Wiedereinreise. Wer das Land seiner Urlaubssünden erneut bereisen möchte, riskiert, bei einer Verkehrskontrolle mit erhöhten Gebühren und gegebenenfalls sogar einer Beschlagnahme des Autos konfrontiert zu werden. Dieses Risiko besteht je nach nationaler Verjährungsfrist zwischen zwei und fünf Jahren. Wer dann noch weiß, dass die Niederlande an den Grenzübergangen alle einreisenden Fahrzeuge mit Überwachungskameras erfassen und andere Länder Autobahnabschnitte im Rahmen ihrer Section Control-Systeme mit Kameras überwachen, kann das Risiko, erwischt zu werden, erahnen – auch wenn allgemein behauptet wird, diese Systeme dienten nicht dazu, säumige Verkehrssünder zu erwischen.

Neben diesen grundsätzlichen Regelungen gibt es noch ein besonderes Abkommen mit Österreich. Dieses ermöglicht es der Alpenrepublik, Knöllchen ab 25 Euro von den deutschen Bundesländern eintreiben zu lassen. Doch auch hier gibt es natürliche Schranken. Während es in Österreich ein eigener bußgeldbewehrter Tatbestand ist, als Halter den Fahrer eines Fahrzeugs zum Tatzeitpunkt nicht zu benennen, kann in Deutschland deswegen niemand belangt werden.

Ihr Experte für Fragen zum Verkehrsrecht, Bußgeldrecht und Verkehrs­strafrecht

Rechtsanwalt
Christian Demuth
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