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Bindungswirkung des Strafurteils kann MPU unzulässig machen

Will die Fahrerlaubnisbehörde in einem Entziehungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen den Inhaber der Fahrerlaubnis gewesen ist, darf sie gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 Straßenverkehrsgesetz (StVG) nicht zu dessen Nachteil vom Inhalt des Urteils abweichen, soweit es Feststellungen zur Eignung des Führens von Kraftfahrzeugen enthält.

Im zugrunde liegenden Fall war ein Mann 16.9.2008 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Straßenverkehr verurteilt worden, weil er am 1.9.2007 einen PKW mit einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,57 Promille geführt hat. Eine früherer Trunkenheitsfahrt des Betroffenen war am 8.1.1999 strafgerichtlich geahndet worden. Die Verwaltungsbehörde forderte ihn daraufhin per Anordnung vom 8.10.2009 zur Vorlage eines MPU-Gutachtens auf. Als Anordnungsgrundlage führte sie §13 Satz Nr. 2 b Fahrerlaubnisverordnung (FeV) an, wonach ein medizinisch-psychologisches Gutachten beizubringen ist, wenn wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen werden.

Der Betroffene weigerte sich die MPU zu machen, worauf ihm die Verwaltungsbehörde den Führerschein entzog. Dagegen klagte der Mann beim Verwaltungsgericht und bekam Recht. Die Fahrerlaubnisbehörde durfte den Vorfall vom 1.9.2007 nicht zum Anlass für die Anordnung einer MPU nehmen.

Widersprechende Entscheidungen müssen unterbunden werden

Das Verwaltungsgericht weist in seiner Entscheidung darauf hin, dass ich die Befugnis des Strafrichters zur Entziehung der Fahrerlaubnis mit der Ordnungsaufgabe der Verwaltungsbehörde deckt. Sie beruhe bei fehlender Kraftfahrteignung auf einer Prognoseentscheidung über die Gefährlichkeit des Kraftfahrers für den Straßenverkehr. Daher müsse die Gefahr widersprechender Entscheidungen bei „Doppelprüfungen“ der Fahreignung, zum einen durch das Strafgericht und zum anderen durch die Verwaltungsbehörde, unterbunden werden. Dies geschehe gemäß § 3 Abs. 4 S. 1 StVG durch den Vorrang der strafrichterlichen Entscheidung vor der behördlichen Entscheidung.Allerdings gelte dieser Vorrang nur dann, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass überhaupt und mit welchem Ergebnis das Strafgericht die Fahreignung beurteilt hat.

So lag der Fall hier: Im Urteil des Amtsgerichts wurde festgestellt, dass von der Entziehung der Fahrerlaubnis abzusehen war, da u.a. die Tatumstände und die seither verstrichene Zeit sowie die erheblichen beanstandungsfreien Fahrleistungen des Angeklagten dem Regelfall der Fahrerlaubnisentziehung nach § 69 Abs.2 Nr. 2 StGB entgegenstünden. Bei der Strafzumessung berücksichtigte der Amtsrichter zugunsten des Antragsstellers u.a. die kurze zurückgelegte Fahrstrecke sowie seine Straflosigkeit seit nahezu zehn Jahren sowie seinen psychischen Ausnahmezustand bei der der Tat. Damit hat das Strafgericht eine - wenn auch nur knappe - eigenständige Beurteilung der Eignungsfrage vorgenommen.

Vorverurteilung war ausreichend berücksichtigt

Auch die Voraussetzung der Bindungswirkung des § 3 Abs. 4 S. 1 StVG, dass der gleiche Sachverhalt, d.h. die Tat i.S.d. Strafverfahrensrechts, Gegenstand der verschiedenen Verfahren ist, sah der Verwaltungsgerichtshof (VGH) vorliegend als erfüllt an. Zwar stütze sich die Gutachtenanforderung der Fahrerlaubnisbehörde stütze sich auf den Tatbestand der wiederholten Trunkenheitsfahrt. Den Urteilsgründen des Amtsgerichts sei jedoch unzweideutig zu entnehmen, dass die einschlägige Vorverurteilung aus dem Jahr 1999 dem Strafrichter bei Urteilserlass nicht nur bekannt war, sondern auch bei den Strafzumessungserwägungen berücksichtig wurde.

Dass das Strafgericht die Fahreignung des Betroffenen im Urteil nicht positiv festgestellt habe, stehe der Bindungswirkung des Strafurteils für die Verwaltungsbehörde ebenfalls nicht entgegen, da eine Unterscheidung zwischen positiver Feststellung der Eignung und Verneinung der Ungeeignetheit im Entziehungsverfahren ohne rechtlichen Belang sei.
 

Christian Demuth, Düsseldorf, als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht im Bereich Verkehrsrecht tätig: " Der Vorrang der strafrichterlichen Entscheidung gilt nur dann, wenn die Verwaltungsbehörde den schriftlichen Urteilsgründen sicher entnehmen kann, dass das Gericht die Fahreignung beurteilt hat."
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Der Beitrag nimmt Bezug auf VGH Mannheim, Beschluss vom 3.5.2010, Az.: 10 S 256/10, in DAR 2010, 412.

 

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Christian Demuth
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