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Augenblicksversagen muss geprüft werden

Wird ein Verkehrszeichen von einem Autofahrer übersehen oder verwechselt, kann dies im Einzelfall ein sogenanntes Augenblicksversagen begründen. Dies hat zur Folge, dass der Bußgeldrichter mangels eines groben Pflichtenverstoß des Betroffenen ausnahmsweise kein Fahrverbot anordnen darf. Allerdings muss der Betroffene bzw. sein Verteidiger im Verfahren Tatsachen vortragen, die für das Vorliegen eines sog. Augenblicksversagens sprechen.

Eine aktuelle Entscheidung des Oberlandesgerichts Oldenburg zeigt, dass ein Bußgeldrichter sich im Urteil ausführlich dazu äußern muss, wenn er die von einem Betroffenen genannten Umstände für ein Augenblicksversagen nicht für ausreichend hält.

In der Rechtsbeschwerde vor dem OLG Oldenburg (OLG Oldenburg, Beschluss vom 28.09.2013, 2 Ss Bs 280/13) war ein Mann erfolgreich, der zuvor vom Amtsgericht wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung zu einer Geldbuße von 240,00 € und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt. Er war statt erlaubter 60 km/h mit 101 km/h gemessen worden.

Gegen dieses Urteil wendete sich der Betroffene mit der Begründung, dass das Amtsgericht ein Augenblicksversagen zu Unrecht nicht angenommen habe. Mit dieser Rüge des amtsgerichtlichen Urteils fand der Betroffene beim Oberlandesgericht ein offenes Ohr.

Das Amtsgericht sei, so der OLG-Senat, fehlerhaft davon ausgegangen, dass der Betroffene zwar das die zulässige Höchstgeschwindigkeit begrenzende Verkehrszeichen übersehen habe, sich ihm aber aufgrund der starken Fahrbahnschäden habe aufdrängen müssen, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung vorlag.

Mängel im Urteil 

Das OLG bemängelt, dass die hierzu getroffenen Feststellungen des Amtsgerichts nicht ausreichend seien, weil sie sich darin erschöpften, dass sich nach der Aussage des Zeugen die Straße „aufgrund von starken Fahrbahnschäden in einem äußerst schlechten Zustand“ befunden habe. Wie sich dieser äußerst schlechte Zustand der Fahrbahn näher dargestellt hat, teilte das Amtsgericht in der Urteilsbegründung jedoch nicht mit.

Das wäre aber erforderlich gewesen, da nicht sämtliche Straßen, deren Fahrbahnen Schäden aufweisen, sofort mit geschwindigkeitsbegrenzenden Schildern versehen würden. Insofern ist die Erkennbarkeit einer eventuellen Geschwindigkeitsbegrenzung wegen Fahrbahnschäden auch nicht vergleichbar mit anderen Örtlichkeiten, beispielsweise einer Autobahnbaustelle oder dichter Bebauung, bei denen ein Fahrer grundsätzlich davon ausgehen muss, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung besteht. Ob die Fahrbahnschäden hier nach Art und Umfang ein Ausmaß erreicht hatten, bei dem der Betroffene davon ausgehen musste, dass eine Geschwindigkeitsbegrenzung bestand, ergibt sich aus den Feststellungen des Amtsrichters aber nicht.

Sollten die Fahrbahnschäden nicht bereits bei Annäherung für den Betroffenen sichtbar gewesen sein, bedürfte es für die Annahme einer sich aufdrängenden Geschwindigkeitsbegrenzung darüber hinaus einer gewissen Fahrstrecke auf dem schlechten Untergrund. Auch hierzu fehlte es an Feststellungen.

Auch darin, dass der Betroffene die sog. „hypothetisch“ zulässige Höchstgeschwindigkeit außerorts von 100 km/h um 1 km/h überschritten hatte, erblickten die Richter am Oberlandesgericht keinen Grund, der der Annahme eines Augenblicksversagens entgegensteht, Denn die "hypothetische“ Überschreitung war hier äußerst gering.

Da jedoch möglich ist, dass das Amtsgericht weitere Feststellungen treffen kann, die die Annahme rechtfertigen, dass sich dem Betroffenen das Vorhandensein einer Geschwindigkeitsbegrenzung aufdrängen musste, verwies der zuständige Senat des OLG Oldenburg die Sache zur erneuten Verhandlung das Amtsgericht zurück. Nicht ohne vorsorglich darauf hinzuweisen, dass bei Annahme eines Augenblickversagens durch das Amtsgericht kein Raum für eine Erhöhung der Geldbuße wäre, da in diesem Fall ein Fahrverbot nicht zu verhängen wäre und deshalb dessen Wegfall auch nicht durch eine erhöhte Geldbuße kompensiert werden müsste.
 

Ihr Experte für Fragen zum Verkehrsrecht, Bußgeldrecht und Verkehrs­strafrecht

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Christian Demuth
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