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Gerichtliche Zweifel an Geschwindigkeitsmessung mit PoliScan Speed

Super-Blitzer: sehr effizient, aber auch schwierig zu kontrollieren. Foto: CPN - stock.adobe.com

Die in der Presse oft als „Super-Blitzer“ bezeichneten Geschwindigkeitsmessanlagen vom Typ PoliScan Speed kennen viele Autofahrer in Form von Blitzersäulen. Von sachverständiger Seite ist das Messsystem seit einiger Zeit ins Kreuzfeuer der Kritik geraten, weil die Messwertbildung durch PoliScan Speed messtechnisch nicht genau nachvollzogen werden kann.

Gericht konnte Korrektheit der Geschwindigkeitsmessung nicht nachvollziehen

Das Amtsgericht Rostock hat deshalb kürzlich einen Betroffenen, der an einer solchen Blitzersäule mit 30 km/h zu viel gemessen wurde, vom Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung freigesprochen. Nach Anhörung eines Sachverständigen hegte das Gericht Zweifel an der Zuverlässigkeit des Messsystems PoliScan Speed. Es fügt sich mit dieser Entscheidung in eine Reihe von Urteilen der Amtsgerichte Aachen, Herford und Berlin-Tiergarten ein, die ihre Zweifel an der Zuverlässigkeit der Geschwindigkeitsmessung mit dem Gerät PoliScan Speed ebenfalls nicht überwinden konnten.

Im Fall des Amtsgerichts Rostock (Beschluss vom 27.9.2013, Az.: 35 OWi 1/12) lag eine Messung mit der stationären Geschwindigkeitsmessanlage PoliScan Speed F1-HP mit der Softwareversion 3.2.4 (Stand 10.2.2011) zugrunde. Das Gericht sah sich nicht in der Lage, sicher festzustellen, dass dieses Gerät die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeit tatsächlich richtig gemessen hat.

Laut Gutachter keine nachträgliche Richtigkeitskonrtrolle möglich

Aus den Erläuterungen eines vom Gericht bestellten Sachverständigen ergab sich, dass dem Sachverständigen eine nachträgliche Richtigkeitskontrolle beim Gerät PoliScan Speed nicht zugänglich war. Daher musste er sich auf eine nachträgliche Plausibilitätsprüfung der Messwerte beschränken. Das Messprinzip, der Messablauf und die eigentlichen Messwertbildung des bei dieser Messung eingesetzten Messgerätes habe der Gutachter nicht überprüfen können, weil das Programm keine Reproduktion der konkreten Lage der Messstrecke innerhalb des Erfassungsbereichs sowie der gemessenen Geschwindigkeitswerte, die zur Bildung der ausgewiesenen Durchschnittsgeschwindigkeit führt, zulasse. Insbesondere könne die Geschwindigkeitsbildung sowie der Messwerterzeugung nicht überprüft werden. Dies bedeute, dass die dem Betroffenen vorgeworfene Geschwindigkeit aus Bild und Dokumentation der Messung nicht nachvollzogen werden könne.

Informationsdefizit zu Lasten der Sachverständigen

Daraus sei zu folgern, dass die Messdaten zwar grundsätzlich vorhanden seien, aber seitens der Herstellerfirma des Messgerätes PoliScan Speed aus patentrechtlichen Gründen nicht zur Verfügung gestellt würden. Zu Lasten des Sachverständigen ergebe sich daraus ein erhebliches Informationsdefizit, weshalb das Gerät als „Black-Box“ beschrieben werden müsse, mit der Folge, dass lediglich eine näherungsweise Feststellung der Geschwindigkeit unter Analyse des Messfotos mit Hilfe des „Smear-Effekts“ möglich ist. Hierbei handelt es sich aber lediglich um eine „Pseudoauswertung“, die mit einer Analyse der Messdaten nichts zu tun hat.

Somit sah sich der Bußgeldrichter nicht in der Lage, die Richtigkeit der Messung von PoliScan Speed als „standardisiertes Messverfahren“ zugrundezulegen. Der geblitzte Autofahrer hatte daher mit seinem Einspruch gegen den Bußgeldbescheid Erfolg. Er wurde freigesprochen.

Ergänzende Anmerkungen

Derzeit werden bei PoliScan Speed die Softwareversionen 1.5.5 und 3.2.4 eingesetzt. Zwar können bei der Softwareversion 1.5.5 Zusatzdaten abgerufen werden. Diese Zusatzdaten haben allerdings nur formalen und keinen messrelevanten Charakter. Gemäß dem renommierten Sachverständigen Dipl.-Phys. Dr. Ulrich Löhle lässt sich eine Geschwindigkeitsmessung auch anhand der Zusatzdateien der Softwareversion 1.5.5 im Nachhinein nicht überprüfen.

Wenn den Obergerichten als Rechtsbeschwerdegerichte in OWi-Verfahren Sachverhalte mit dem Geschwindigkeitsmessgerät PoliScan Speed zur Entscheidung vorliegen, beschränken diese sich bisher leider regelmäßig auf die Feststellung, dass dieses Messsystem von der Physikalisch-Technischen-Bundesanstalt (PTB) als „standardisiertes Messverfahren“ zugelassen worden sei (so bspw. OLG Düsseldorf vom 20.1.2010, IV-5 Ss (OWi) 206/09).
Bei Messverfahren, die als „standardisiert“ geltend, ist es den Bußgeldrichtern möglich, die Verurteilung wegen eines Geschwindigkeits- oder Abstandsverstoßes einfacher zu begründen. Nur wenn durch die Verteidigung konkrete Zweifel an der Messung dargelegt werden, muss das Gericht diese aufklären. Auch bei diesen standardisierten Messverfahren müssen die Vorgaben der Bedienungsleitung eingehalten, die Messbeamten entsprechend geschult und die notwendigen Eichungen eingehalten werden und im Zeitpunkt der Messung noch gültig sein.

Aus Sicht des rechtssuchenden Bürgers wäre diese Konstruktion hinnehmbar, wenn zumindest für gerichtlich bestellte Sachverständige die Möglichkeit bestünde, die Grundlagen für die Zulassung, insbesondere die exakte Funktionsweise des Messsystems bei der PTB zu überprüfen oder zumindest die Prüfung durch die PTB über jeden Zweifel erhaben wäre.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
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