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Absehen vom Regelfahrverbot: Die Gründe müssen geprüft werden

Foto: iStock.com/Askolds

Ein Tatgericht kann sich nicht einfach auf das Vorbringen des Betroffenen berufen, um zu begründen, warum es von der Regelsanktion abweicht. Das Gericht hat zwar einen Ermessensspielraum. Den muss es jedoch pflichtgemäß ausüben. Und hiergegen verstößt es, im Bußgeldverfahren Schilderungen des Betroffen ungeprüft zu übernehmen. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Bamberg in einem Beschluss klargestellt. Dabei ging es um die Frage, ob einem Betroffenen zu Recht ein einmonatiges Fahrverbot erspart worden ist (OLG Bamberg, Beschluss vom 17.01.2017, Az.: 3 Ss Owi 1620/16).

Einmonatiges Fahrverbot für qualifizierten Rotlichtverstoß

Der Betroffene hatte einen qualifizierten Rotlichtverstoß begangen. Die Bußgeldbehörde hatte eine Geldbuße von 300 € sowie ein einmonatiges Fahrverbot festgesetzt. Hiergegen zog der Betroffene vors Amtsgericht, das die Sanktion zu einer Geldbuße von 500 € abänderte und auf ein Fahrverbot verzichtete. Das Gericht war der Argumentation des Betroffenen gefolgt, aufgrund einer Lungenkrankheit zweimal die Woche zu einem Facharzt zu müssen, dessen Praxis 15 km vom Wohnort entfernt liegt. Außerdem hatte der Mann vorgebracht, die nächste Bushaltestelle sei zwei Kilometer von seinem Wohnort entfernt, ein Weg, den er aufgrund seiner Lungenkrankheit nicht zu Fuß zurücklegen könne. Seine Tochter sei berufstätig und könne ihn nicht fahren, sein Schwiegersohn habe keine Fahrerlaubnis und weitere Personen stünden nicht zur Verfügung. Darüber hinaus erachtete es das Amtsgericht als unzumutbar für den Mann, angesichts eines Krankengeldes von 588 € und keines weiteren Vermögens einen Fahrer anzustellen oder mit dem Taxi zum Arzt zu fahren.

Absehen von Fahrverbot muss Regeln der Ermessensausübung entsprechen

Das OLG verwies zwar darauf, dass dem Tatrichter ein Ermessensspielraum zur Verfügung steht und seine Entscheidung letztlich nur daraufhin überprüft werden kann, ob er sein Ermessen fehlerhaft ausgeübt hat, weil er die anzuwendenden Rechtsbegriffe verkannt, die Grenzen des Ermessens durch unzulässige Erwägungen überschritten und sich nicht nach den Grundsätzen und Wertmaßstäben des Gesetzes gerichtet hat. Die Erwägungen des Amtsgerichts, von einem Fahrverbot abzusehen, genügte den Maßstäben, an denen die Ermessenausübung gemessen wird, jedoch nicht, sodass das OLG die Entscheidung der ersten Instanz aufhob und zur weiteren Verhandlung an diese zurückverwies.

Insbesondere bemängelte das OLG, dass die Feststellungen zu den Umständen, die das Amtsgericht zu einem Absehen von einem Fahrverbot bewogen haben, an grundlegenden Darstellungsmängeln leiden, weil in den Urteilsbegründungen jeglicher Beleg hierfür fehlt. Offensichtlich hatte das Amtsgericht alleine die Schilderungen des Betroffenen zugrunde gelegt, ohne diese kritisch zu hinterfragen. So war weder der Lungenfacharzt befragt noch ein Gutachten eingeholt worden. Ebenso wenig war ersichtlich, worauf das Amtsgericht seine Meinungsbildung hinsichtlich der verfügbaren Verkehrsmittel und der Einkommenssituation des Betroffenen gestützt hatte.

Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmern gewährleisten

Das OLG stufte die vom Betroffenen vorgebrachte unglückliche Verkettung der Umstände des Einzelfalls als „per se nicht besonders lebensnah“ ein, was eine eingehende Beweisaufnahme und Beweiswürdigung erfordert hätte. Die sei, so das Gericht, alleine schon erforderlich um eine Gleichbehandlung mit anderen Verkehrsteilnehmer, die ein Regelfahrverbot verwirkt haben, zu gewährleisten.

So hob das OLG hervor, dass das Amtsgericht nicht erwogen hatte, dass ein Transport per Taxi oder durch einen Bekannten zur nur zwei Kilometer entfernten Haltestelle, deutlich geringere Kosten als eine komplette Fahrt zum Arzt verursachen würde. Außerdem war nicht bedacht worden, dass hier gegebenenfalls auch eine Übernahme der Transportkosten durch die Krankenkasse in Betracht kommen könnte. Wobei das OLG klarstellte, dass zu Lasten des Betroffenen gewürdigt werden könnte, wenn er in Kenntnis des schwebenden Bußgeldverfahrens keine Anstrengungen unternimmt, eine erforderliche Genehmigung von seiner Krankenkasse zu erhalten.

Ferner wies das OLG auf folgenden Umstand hin: Wäre das Bußgeld nicht auf 500 € festgesetzt worden, sondern lediglich in Höhe der Regelbuße von 200 €, dann hätte immerhin ein Betrag von 300 € für etwaige Taxifahrten – und diese lediglich bis zur zwei Kilometer entfernten Bushaltestelle – zur Verfügung gestanden, um die Zeit des Fahrverbots zu überbrücken.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
Verkehrsrecht l Verkehrsstrafrecht l Bußgeldrecht

 

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