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Schrittgeschwindigkeit in verkehrsberuhigter Zone liegt bei maximal 10 km/h

Schrittgeschwindigkeit ist nicht nur ein individueller Faktor, auch die Gerichte interpretieren sie unterschiedlich. Foto: sp4764 - stock.adobe.com

Von Verkehrsteilnehmern wird die Frage, was bedeutet Schrittgeschwindigkeit, meist sehr unterschiedlich beantwortet. Und auch die Gerichte argumentieren in einer Bandbreite von 4 km/h bis 15 km/h. Das Oberlandesgericht (OLG) des Landes Sachsen-Anhalt hat sich darauf festgelegt, dass von Schrittgeschwindigkeit höchstens bis 10 km/h gesprochen werden kann. Es hob die Entscheidung eines Amtsgerichtes auf, das die oft angesetzten 15 km/h als Grundlage für seine Entscheidung genommen hatte, und verwies die Angelegenheit zur erneuten Verhandlung an dieses zurück (OLG des Landes Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 21.03.2017, Az.: 2 Ws 45/17).

An der Grenze zwischen Bußgeld oder Fahrverbot

Von der Geschwindigkeit hing im konkreten Fall ab, ob den betroffenen Fahrer nur ein Bußgeld oder auch gleich ein einmonatiges Fahrverbot traf. Denn er war in einer Straße, die als verkehrsberuhigter Bereich ausgeschildert war, mit einer Geschwindigkeit von mindestens 42 km/h aufgefallen. Das Amtsgericht hatte sich in seiner Entscheidung darauf gestützt, dass es sich um eine verhältnismäßig breite Straße handelte, auf der zumindest zwei PKW oder auch LKW aneinander vorbeifahren konnten. Das Gericht hatte darauf verwiesen, dass es sich um eine kerzengerade und gut einsehbare Straße handelte, bei der eine Geschwindigkeit von 15 km/h ungefährlich und geeignet sie, Unfälle mit Sicherheit zu vermeiden. Auf dieser Basis hatte das Amtsgericht seiner Entscheidung eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 27 km/h zugrunde gelegt und die Regelsanktion verhängt, wobei es diese wegen einer Voreintragung des Betroffenen von 100 € auf 150 € erhöht hatte.

Staatsanwaltschaft wollte 15 km/h als Schrittgeschwindigkeit nicht akzeptieren

Damit wollte sich die Staatsanwaltschaft jedoch nicht zufriedengeben und legte Rechtsbeschwerde ein. Sie argumentierte, eine Geschwindigkeit von 15 km/h könne nicht als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden. Maximal kämen 11 km/h in Betracht. Aufgrund der höheren Geschwindigkeitsüberschreitung – in diesem Fall dann 31 km/h – hätte das Amtsgericht von einer Regelbuße von 160 € und einem Regelfahrverbot von einem Monat ausgehen müssen

OLG: Mehr als 10 km/h können nicht als Schrittgeschwindigkeit gelten

Das sah auch das OLG so, wenngleich es sich auf einen noch niedrigeren Wert festlegte. Laut OLG kann eine Geschwindigkeit von mehr als 10 km/h nach dem Wortsinn nicht mehr als Schrittgeschwindigkeit angesehen werden. Außerdem verwies das Gericht darauf, dass der Begriff Schrittgeschwindigkeit auch nicht von örtlichen Gegebenheiten oder dem Grad der Gefährdung abhängen kann, denn der Gesetzgeber hätte, sei solches gewollt gewesen, nicht den Begriff Schrittgeschwindigkeit gewählt, sondern etwa eine „den Umständen entsprechend ungefährliche Geschwindigkeit“ angeordnet.

Vergleich mit den beim Berlin Marathon gelaufenen Geschwindigkeiten

Das OLG des Landes Sachsen-Anhalt ging in seiner Entscheidung auch auf die von anderen Oberlandesgerichten gesetzten Grenzen ein, die von 4 bis 7 km/h bis hin zu 15 km/h schwanken. Dabei begründete es sehr pragmatisch, wie es auf seinen Grenzwert von 10 km/h kommt. So verwies das Gericht darauf, dass derjenige, der sich schneller als 10 km/h bewegt, nicht mehr geht oder schreitet, sondern er läuft. Für das Tempo 15 km/h machte das OLG folgende Rechnung auf: Bei einer Geschwindigkeit von 15 km/h wäre ein Teilnehmer des Berlin Marathon 2016 mit einer Zeit von ca. 2 Stunden und 50 Minuten unter den besten 4 % der 35.999 Läufer, die das Ziel erreicht haben, gelandet. Aus Sicht des Gerichts fällt das definitiv nicht mehr unter Schrittgeschwindigkeit.

Achtung Fahrradfahrer: langsam fahren oder schieben

Wobei das OLG auch auf das immer wieder auftauchende Argument einging, dass Radfahrer in verkehrsberuhigten Bereichen bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h unsicher werden und zu schwanken anfangen. „Soweit Radfahrer bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h unsicher werden und zu schwanken beginnen, sind sie volltrunken und müssen ihr Fahrrad deshalb schon zur Vermeidung einer Strafbarkeit nach § 316 StGB schieben“, so das OLG.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
Verkehrsrecht l Verkehrsstrafrecht l Bußgeldrecht

 

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