Welche Fahrweise ist kriminell ? Die sieben Todsünden
Welche Fahrweise ist kriminell? Die sieben Todsünden im Straßenverkehr
Die immer höhere Verkehrsdichte führt ständig zu Situationen, in denen sich Verkehrsteilnehmer irgendwie gegenseitig behindern. Riskante Fahrmanöver sind an der Tagesordnung. Erstattet ein vermeintlich bedrängter Fahrer deswegen Anzeige, fällt einem schnell die Rolle des Beschuldigten in einem Strafverfahren zu. Doch kann man sich wirklich so leicht wegen Straßenverkehrsgefährdung oder Nötigung im Straßenverkehr strafbar machen?
Das Gesetz sagt nein. In erster Linie handelt ein Verkehrsteilnehmer, der vorsätzlich gegen eine Verkehrsregel verstößt und dadurch einen anderen behindert, nur ordnungswidrig. Er bekommt ein Bußgeld, aber keine Kriminalstrafe. Die Schwelle zur Strafbarkeit soll erst dann überschritten sein, wenn eine der sieben in § 315c Strafgesetzbuch (StGB) aufgezählten Vergehen im Straßenverkehr vorliegt und dies außerdem zu einem „Beinahe-Unfall“ geführt hat. Dann droht allerdings nach § 69 Abs.2 StGB auch die Entziehung der Fahrerlaubnis.
Als Todsünde gilt, wenn man als Fahrzeugführer grob verkehrswidrig und rücksichtslos
- die Vorfahrt nicht beachtet
- falsch überholt oder sonst bei Überholvorgängen falsch fährt
- an Fußgängerüberwegen falsch fährt
- an unübersichtlichen Stellen, Straßenkreuzungen, Straßeneinmündungen oder Bahnübergängen zu schnell fährt
- an unübersichtlichen Stellen nicht die rechte Fahrbahnseite einhält
- auf einer Autobahn oder Kraftfahrtstraße wendet, rückwärts fährt, entgegen der Fahrtrichtung fährt oder ein solches Manöver versucht
- es unterlässt, ein liegengebliebenenes Fahrzeuges auf ausreichende Entfernung zur notwendigen Sicherung des Verkehrs kenntlich zu machen
Das von der Rechtsordnung zusätzlich geforderte Element des „Beinahe-Unfalls“ bedeutet, dass die Verwirklichung des Unfalls im Nachhinein betrachtet objektiv nur noch vom reinen Zufall abhing. Es kann dabei ausreichend sein, wenn sich die Unfallgefahr auf einen Beifahrer oder andere Insassen ausgewirkt hat.
Grob verkehrswidrig handelt, wer im Einzelfall in besonders schwererer Weise vom pflichtgemäßen Verhalten abweicht und dadurch die Sicherheit des Straßenverkehrs erheblich beeinträchtigt. Das Merkmal der Rücksichtslosigkeit erfüllt, wer sich aus eigensüchtigen Motiven über bekannte Rücksichtspflichten hinwegsetzt oder wer aus Gleichgültigkeit seine Fahrerpflichten nicht beachtet und unbekümmert drauflosfährt. Beide Merkmale erfüllt, wer beispielsweise kurz vor einer unübersichtlichen Kurve einen Überholvorgang fortsetzt um schnell voranzukommen.
Ist eine der „sieben Todsünden“ und das Merkmal „Beinahe-Unfall“ erfüllt, kann die riskante Fahrweise eine Strafbarkeit wegen - zumindest fahrlässiger - Gefährdung des Straßenverkehrs nach § 315c StGB bedeuten.
Die Nötigung muss außerdem gewollt sein
Viele dieser Fahrweisen können auch noch den Straftatbestand der Nötigung gemäß § 240 StGB erfüllen. Das strafbare Vergehen der Nötigung kommt in Betracht, wenn man dicht und bedrängend auf seinen Vordermann auffährt, seinen Hintermann absichtlich ausbremst oder einen unliebsamen Verkehrsteilnehmer abdrängt. Doch genügt es zum Erreichen der Strafbarkeit einer solchen Handlung noch nicht, dass man sie überhaupt begeht.
Nach der Rechtssprechung ist als zusätzliches Kriterium erforderlich, dass die bedrängende Wirkung der eigenen verbotswidrigen Fahrweise auf den anderen Verkehrsteilnehmer eindeutig bezweckt ist. Die Bedrängung des anderen darf man nicht nur als bloße Folge der eigenen verbotswidrigen Fahrweise in Kauf genommen haben. Die Beeinträchtigung des anderen muss der Zweck der Fahrweise gewesen sein. Eine Verurteilung wegen Nötigung ist daher nicht rechtens, wenn man „bloß“ rücksichtslos gefahren ist, um schneller voranzukommen und eine Beeinträchtigung anderer als Folge seiner Fahrweise „nur“ in Kauf genommen hat.
Christian Demuth, Rechtsanwalt im Bereich Verkehrsrecht, Düsseldorf: "In erster Linie begehen Verkehrsteilnehmer, die vorsätzlich gegen Verkehrsregeln verstoßen, eine mit Bußgeld bewehrte Ornungswidrigkeit und keine Straftat."
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Hinweis des Verfassers:
Der Beitrag bezieht sich zum Teil auf einen Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Düsseldorf vom 9.8.2007 (Az.: 5 Ss 130/07 – 61/07 I).
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