Rotlichtverstöße und die Chance, wegen eines Augenblickversagens von einem Bußgeld verschont zu bleiben
Wer mit einem Fahrzeug, das zur Gruppe der sogenannten SUV gehört, einen Verkehrsverstoß begeht, kann nicht automatisch wegen eines erhöhten Gefährdungspotentials des Fahrzeugs mit einem erhöhten Bußgeld belegt werden. Das hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main im Fall eines SUV-Fahrers klargestellt, der vom Amtsgericht wegen eines Rotlichtverstoßes zu 350 € statt zur Regelbuße von 200 € verurteilt worden war. Gleichwohl blieb es bei dem höheren Bußgeld, da das OLG andere Gründe, die für eine Erhöhung sprachen, sah (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 29.09.2022, Az.: 3 Ss-OWi 1048/22).
Fünf Grünphasen für den Geradeausverkehr und nicht eine einzige für den Linksabbieger – das ist längst noch kein Grund, von einem Defekt der Ampel auszugehen und bei der nächsten Grünphase für den Geradeausverkehr trotz eines roten Lichtzeichens links abzubiegen. Diese Erfahrung musste ein Fahrer aus Dortmund machen, der vom örtlichen Amtsgericht (AG) wegen fahrlässiger Nichtbefolgung eines Wechsellichtzeichens zu einer Geldbuße von 90 € verurteilt wurde (Amtsgericht Dortmund, Urteil vom 04.02.2017, Az.: 729 OWi 9/17).
Die vor einer gerade von Grün auf Gelb umgesprungenen Ampel meistgestellte Frage lautet sicherlich: halten oder weiterfahren. Ein wichtiges Entscheidungskriterium für die Beantwortung dieser Frage hat jetzt das Oberlandesgericht (OLG) Hamm geliefert. Es stellte klar, dass ein Fahrer, wenn Rot als nächstes Farbsignal folgt, auf jeden Fall anzuhalten hat, wenn ihm dieses mit einer normalen Betriebsbremsung vor der Ampelanlage möglich ist. Dabei kommt es dem Gericht zufolge nicht darauf an, ob der Fahrer es noch schafft, mit seinem Fahrzeug vor der Haltelinie stehen zu bleiben (OLG Hamm, Urteil vom 30.05.2016, Az.: 6 U13/16).
Das sogenannte Augenblickversagen kann helfen, dass es trotz eines Verkehrsverstoßes nicht zur Anordnung eines Fahrverbotes kommt. Legt ein Gericht seiner Entscheidung ein solches Augenblicksversagen zugrunde, genügt es jedoch nicht, sich auf die Darstellung des betroffenen Fahrers zu stützen. Vielmehr muss das Gericht, wie eine Entscheidung des Brandenburgischen Oberlandesgerichts (OLG) zeigt, in seiner Entscheidung die tatrichterlichen, auf nachvollziehbaren Anknüpfungstatsachen beruhenden Erwägungen darstellen, aufgrund derer ein rechtfertigender Ausnahmefall angenommen wurde, der zu einem Verzicht auf das Fahrverbot geführt hat (Brandenburgisches OLG, Beschluss vom 01.07.2019, Az.: (1 B) 53 Ss-OWi).
Verhält sich jemand im Straßenverkehr regelwidrig kann dies gleich mehrere Tatbestände umfassen. Grundsätzlich gilt dabei, dass bei mehreren auf einer Fahrt begangenen Verstößen gegen die Straßenverkehrsordnung Tatmehrheit besteht, also jede Tat einzeln geahndet wird. Es kann jedoch, wie eine Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin zeigt, auch Situationen geben, in denen die Verstöße in einem so engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehen, dass von einer einheitlichen Tat auszugehen ist (KG Berlin, Beschluss vom 03.06.2016, Az.: 3 Ws (B) 207/16).
Ein Rotlichtverstoß wird begangen, indem der Verkehrsteilnehmer das Haltegebot des roten Lichtzeichens der Ampel missachtet und in den durch die Ampel geschützten Bereich der Kreuzung oder Straße einfährt. Das Rotlicht der Verkehrssignalanlage ordnet an: "Halt vor der Kreuzung oder Einmündung", vgl. § 37 Abs. 2 Nr. 1 und Nr. 2 Straßenverkehrsordnung (StVO). Wer einen solchen Verstoß begeht, muss ein Bußgeld zahlen. Hat die Ampel schon länger als eine Sekunde rot angezeigt, wird regelmäßig auch ein Fahrverbot verhängt. Wenn der Betroffene jedoch bereits vor der Ampelanlage abbiegt, um dann nach Durchfahren eines nicht durch die Ampelanlage geschützten Bereichs hinter der Ampelanlage wieder in den Verkehrsraum hinter der Ampel zurückzukehren, liegt kein Rotlichtverstoß vor.