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EuGH: Anerkennung des EU-Führerscheins hängt von Sperrfrist ab

EuGH: Anerkennung des EU-Führerscheins hängt von Sperrfrist ab

Der Eüropäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem neuen Beschluss vom 28.9.2006 (Az.: C-340/05) klargestellt, dass seine vorangegangenen Entscheidungen „Kapper“ und „Halbritter“ zur gegenseitigen Anerkennung der von den EU-Mitgliedsstaaten ausgestellten Führerscheine über den jeweiligen Einzelfall hinaus Gültigkeit haben. Der aktuelle Beschluss erging auf eine Vorlagefrage des Oberlandesgerichts (OLG) München, das den Fall eines Mannes zu entscheiden hatte, der in der Vorinstanz wegen Fahrens ohne Fahrerlaubnis verurteilt worden war, nachdem er mit einer belgischen Fahrerlaubnis in Deutschland gefahren ist, die er mit formal in Belgien begründetem Zweitwohnsitz erworben hatte. Zuvor war eine verwaltungsrechtlichen Entziehung der deutschen Fahrerlaubnis wegen Ungeeignetheit zum Führen von Kfz nach wiederholter Begehung verkehrsrechtlicher Verstöße erfolgt und ein Antrag auf Neuerteilung nach einem medizinisch-psychologischen Gutachten (MPU) bestandskräftig abgelehnt worden. Eine Sperrfrist für die Neuerteilung einer Fahrerlaubnis war nicht verhängt worden.

Dem EuGH war im Wesentlichen die Frage zur Entscheidung vorgelegt worden, ob es nach der EU-Führerscheinrichtlinie einem Mitgliedsstaat verwehrt ist, das Recht zum Führen eines Kfz aufgrund eines in einem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins und damit dessen Gültigkeit in seinem Hoheitsgebiet nicht anzuerkennen, solange der Inhaber dieses Führerscheins, gegen den im erstgenannten Mitgliedsstaat eine Maßnahme des Entzugs einer früher erteilten Fahrerlaubnis ohne gleichzeitige Anordnung einer Sperrfrist für die Neuerteilung der Fahrerlaubnis ergangen ist, die Bedingungen nicht erfüllt, welche nach den Rechtsvorschriften des erstgenanten Mitgliedsstaates nach dem Entzug einer früheren Fahrerlaubnis vorliegen müssen, einschließlich einer den Wegfall des Eignungsmangels bestätigenden Fahreignungsuntersuchung (MPU).

Nationales Recht darf Gemeinschaftsrecht nicht aushebeln

Auf den konkreten Fall bezogen ging es also darum, ob die deutschen Behörden nach § 28 Abs. 4 Nr. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) zur Aberkennung des Rechtes vom belgischen Führerschein in Deutschland Gebrauch zu machen berechtigt sind beziehungsweise die Anerkennung vom Nachweis der Fahreignung durch eine MPU abhängig machen dürfen, wie es in Deutschland zum Schutz der Verkehrssicherheit normiert ist, oder ob dies dem in der EU-Richtlinie 91/439 festgelegten Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung (Art. 1 Abs. 2 ) widerspricht.

In seiner Äußerung hat es der EuGH als gefestigte Rechtsprechung bezeichnet, dass durch den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung der von den EU-Mitgliedsländern ausgestellten Führerscheine ohne jede Formalität den Mitgliedsstaaten eine klare und unbedingte Verpflichtung aufgegeben sei. Daraus ergebe sich, wie bereits im Fall „Halbritter“ entschieden wurde, dass die anderen Mitgliedsstaaten nicht befugt seien, die Beachtung der Ausstellungsbedingen erneut zu prüfen.

Die "Halbritter-Entscheidung" des EuGH

Der Fall Halbritter betraf eine Person, die, nachdem es in Deutschland zur Entziehung der Fahrerlaubnis zusammen mit einer Sperrfrist gekommen war, später, nach Ablauf dieser Sperrfrist, in Österreich eine Fahrerlaubnis erhielt. In seinem Vorlagebeschluss erinnert der EuGH , dass er in diesem Fall entschieden hatte, dass die den Mitgliedsstaaten in Art 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 eingeräumte Befugnis zur Anwendung ihrer innerstaatlichen Vorschriften über Einschränkung, Aussetzung, Entzug oder Aufhebung der Fahrerlaubnis restriktiv auszulegen sei und grundsätzlich nicht von dem Inhaber einer ausländischen EU-Fahrerlaubnis die Erfüllung der Bedingungen verlangt werden kann, die nach dem nationalen Recht für die Neuerteilung nach Entziehung gelten. Wenn die Sperrfrist abgelaufen war, widerspricht es dem Gemeinschaftsrecht, vom Betroffenen, der anschließend in einem anderen Mitgliedsstaat eine Fahrerlaubnis erworben hat, die Überprüfung der Fahreignung nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates zu verlangen, auch wenn die Umstände, die zum Entzug der früheren Fahrerlaubnis geführt haben, eine solche Prüfung vorschreiben und dieses Gründe vor der Ausstellung des neuen Führerscheins bestanden haben.

Im vorgelegten Fall des OLG München, wo der Entzugsakt nicht mit einer Sperrfrist für die Neuerteilung verbunden war, muss – so der EuGH – die enge Auslegung der der Befugnis nach Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 91/439 erst recht gelten, so dass die Bundesrepublik Deutschland ihre innerstaatlichen Vorschriften über die Fahreignung nur aufgrund eines Verhalten des Betroffenen nach Erwerb des ausländischen EU-Führerscheins ausüben dürfe. Da aber keine zeitlich nach dem Erwerb der ausländischen EU-Fahrerlaubnis liegenden Anhaltspunkte vorgebracht wurden, nach denen die Fahreignung des Betroffenen gemäß innerstaatlichem Recht angezweifelt werden könnte, seien die deutschen Behörden verpflichtet, die Gültigkeit des in dem anderen Mitgliedsstaat ausgestellten Führerscheins ohne vorherige Prüfung anzuerkennen. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass der EuGH in seinem Entschluss den Vorrang des Anerkennungsgrundsatzes vor nationalen eignungserheblichen Tatsachen betont hat, sofern diese bereits vor der Erteilung der Fahrerlaubnis durch den anderen Mitgliedsstaat vorlagen.

Freilich wird dies zunächst auch weiterhin viele Verwaltungsgerichte nicht davon abhalten, mit konstruierten Einwänden wie dem fortwirkenden Eignungsmangel, der unzulässigen Rechtsausübung, aufgrund von Zweifeln an der Erfüllung des Wohnsitzerfordernisses oder der vom EuGH angeblich „übersehenden“ Dualität des im deutschen Straßenverkehrsrecht verankerten Maßnahmesystems Ordnungsverfügungen zur Aberkennung des Rechts zum Gebrauch ausländischer EU-Führerscheine aufrecht zu erhalten und den Betroffenen den vorläufigen Rechtsschutz zu verwehren. Doch besteht wegen der faktischen Präjudizwirkung, die die Auslegung des Gemeinschaftsrechts in Vorabentscheidungen des EuGH für letztinstanzliche Gerichte im Sinne des Art. 234 Abs.3 EG und damit auch für das Beschwerdegericht im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entfaltet, für die Betroffenen etwas mehr Grund zur Hoffnung.
 

Christian Demuth, Fachanwalt für Strafrecht in Düsseldorf und als Rechtsanwalt im Bereich Verkehrsrecht tätig: "Der EuGH hat den Vorrang des Anerkennungsgrundsatzes vor nationalen eignungserheblichen Tatsachen betont, sofern diese bereits vor der Erteilung der Fahrerlaubnis durch den anderen Mitgliedsstaat vorlagen."

 

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