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Tipps vom Verteidiger: Die Feststellung einer strafbaren Fahruntüchtigkeit durch die Polizei

Gerät man als Fahrzeugführer in eine Straßenkontrolle wird man vom Polizeibeamten häufig gefragt, ob man Alkohol getrunken hat. Wenn die Antwort „nein“ lautet, kann der Polizist dies glauben oder nicht. Wenn die Frage bejaht wird oder der Beamte einen Hinweis auf Alkoholkonsum wahrgenommen hat, ist er gehalten, einen Alkoholtest durchzuführen. Man wird gebeten ins Röhrchen des Vortestgerätes zu blasen. Das geschieht auf freiwilliger Basis. Wird das „Blasen“ jedoch verweigert, wird man in der Regel vorläufig festgenommen und auf das Polizeirevier gebracht, wo die gerichtsfeste Beweissicherung erfolgen soll.

Gleiches geschieht mit Fahrern, bei denen das Vortestgerät einen Wert von 0,5 Promille und mehr angezeigt hat.

Bei einer Blutalkoholkonzentration von 0,5 bis 1,1 Promille genügt es für den gerichtsfesten Nachweis, dass die Messung mit dem stationären, geeichten Alcomaten des Typs „Dräger Evidential“ in Form einer Atemalkoholmessung durchgeführt wird.

Bei höheren Werten oder wenn ein Drogenvortest positiv reagiert hat wird die Messung der Blutalkoholkonzentration verlangt. Die Blutprobe ist durch einen Arzt zu entnehmen. Hier darf notfalls sogar körperlicher Zwang angewandt werden.

Tipp 1:

Sich der Blutentnahme zu widersetzen, wäre also zwecklos. Aber als Beschuldigter sollte man der Blutprobenentnahme auch nie zustimmen. Man sollte auf eine richterliche Entscheidung bestehen!

Weil die Entnahme der Blutprobe einen körperlichen Eingriff darstellt, hat sie der Gesetzgeber nämlich grundsätzlich an einen sog. Richtervorbehalt geknüpft. Eine Ausnahme gilt nur, wenn der zuvor entsprechend belehrte Beschuldigte der freiwilligen Entnahme ausdrücklich zugestimmt hat oder wenn „Gefahr im Verzug“ bestand.

Wenn die Einholung einer möglichen richterliche Anordnung von der Polizei vor Entnahme der Blutprobe willkürlich unterlassen wurde, kann die Blutprobe deshalb einem Beweisverwertungsverbot unterliegen.

Eine Trunkenheitsfahrt mit der Folge der Entziehung der Fahrerlaubnis liegt in jedem Fall ab einer festgestellten Alkoholisierung von 1,1 Promille oder mehr Alkohol im Blut vor. Ab diesem Grenzwert wird unwiderlegbar vermutet, dass man sein Fahrzeug im Zustand der Fahruntüchtigkeit geführt hat. Man spricht daher von absoluter Fahruntüchtigkeit.

Wendet man ein, dass die Blutalkoholkonzentration (BAK) in dem Zeitpunkt, als man am Steuer gesessen hat, noch gar nicht oberhalb dieses Grenzwertes gelegen hat, was vorkommen kann, wenn man sich bei der Alkoholkontrolle noch in der sog. Anflutungsphase befand, in welcher die Alkoholmenge noch nicht vollständig im Blutkreislauf aufgenommen war , führt dieses Argument nicht weiter. Es ist in der höchstrichterlichen Rechtsprechung nämlich entschieden, dass es nicht auf die BAK zur Tatzeit ankommt, sondern auf die BAK, die aufgrund der zur Tatzeit bereits im Körper befindlichen Alkoholmenge entstanden ist.

Tipp 2:

Wegen der „Anflutungsphase“ kann es sich auszahlen, so schnell wie möglich zu pusten, wenn man weiß, dass man noch unmittelbar bis zum Fahrtbeginn Alkohol getrunken hat (Sturztrunk) und sich der aufgenommene Alkohol noch nicht in einer entsprechend hohen Blutalkoholkonzentration zeigt.

Eine Strafbarkeit wegen Trunkenheit im Verkehr (§ 316 StGB) kann aber auch schon ab einer Alkoholisierung von nur 0,3 Promille Alkohol gegeben sein. Dies ist dann der Fall, wenn die Justiz von einer sog. relativen Fahruntüchtigkeit ausgeht. Dem Fahrzeugführer wird vorgeworfen, „relativ fahruntüchtig“ gewesen zu sein, wenn er über die festgestellte Alkoholisierung hinaus noch durch „alkoholbedingte Ausfallerscheinungen“ aufgefallen ist.

Für die Feststellung der relativen Fahruntüchtigkeit gilt: Je höher der Wert, der festgestellten Blutalkoholkonzentration, desto geringer sind die Anforderungen an die Intensität der Ausfallerscheinungen, die angeblich beobachtet wurden.

Ein Beispiel aus meiner Praxis: Der Beschuldigte befuhr mit seinem PKW nachts die Ringstraße einer Großstadt mit einer festgestellten Alkoholkonzentration von 0,7 Promille. Die Polizei hatte festgestellt, dass er auf einer Streckenlänge von insgesamt etwa 500 m sein Fahrzeug innerhalb der Fahrstreifenbegrenzung immer wieder auf einer gedachten geraden Linie 30-40cm nach links und rechts gesteuert habe sowie zweimal die Fahrstreifenbegrenzung um ca. 10 cm überfahren habe. Der Führerschein war nach der Kontrolle sofort sichergestellt worden. Die vermeintlichen „Schlangenlinien“ und das geringfügige Überfahren, der Fahrbahnmarkierung wurden also zunächst als Beweisanzeichen für das Vorliegen einer relativen Fahruntüchtigkeit gewertet (Ausfallerscheinungen). Jedoch konnte gegenüber der Staatsanwaltschaft nach Akteneinsicht überzeugend dargelegt werden, dass diese konkreten Fahrfehler auch einem nüchternen Autofahrer auf dieser Strecke ohne Weiteres hätten unterlaufen können. Denn der Beschuldigte befand sich in einer angeregten Diskussion mit seinem Beifahrer über den richtigen Weg zu einem bestimmten Imbiss und die Streckenführung im Bereich der Nachfahrstrecke war so verwinkelt, dass es Autofahrern ständig passiert, die Fahrbahnbegrenzung geringfügig zu überfahren. Der Verdacht für eine relative Fahruntüchtigkeit aufgrund der beobachteten Fahrfehler war also widerlegt. Wahrscheinlich hätte diese Argumentation allerdings nicht ausgereicht, wenn die Blutprobe des Beschuldigten eine höhere BAK in größerer Nähe zum Beweisgrenzwert der absoluten Fahruntüchtigkeit von 1,1 Promille aufgewiesen hätte.

Tipp 3:

Als Beschuldiger sollte man sein Augenmerk genau darauf legen, welche Ausfallerscheinungen angeblich erkannt worden sein sollen. Denn lassen sich diese Fahr-Auffälligkeiten anders als durch Alkohol bzw. den Genuss anderer Rauschmittel erklären, besteht bei einer entsprechend stichhaltigen Argumentation, die Chance, vom Vorwurf der relativen Fahruntüchtigkeit wegzukommen. Zeugen und ärztliche Atteste können hier hilfreich sein. Aber auch die sonstigen Angaben, die von der Polizei zum Zustand und zum Fahrverhalten des Betroffenen in der Anzeige festgehalten worden sind und insbesondere auch die Angaben im sog. „Torkelbogen“, einem Formblatt mit standardisierten Angaben über den körperlichen und geistigen Zustand des Beschuldigten unmittelbar vor der Blutentnahme, können unter Umstände hilfreiche Gegenargumente liefern.

Tipp 4:

Niemand ist zur Teilnahme an ärztlichen Untersuchungen wie Finger-Nase-Prüfung verpflichtet. Daher sollten diese unbedingt verweigert werden.

Tipp 5:

Als Beschuldiger sollte man grundsätzlich keine Angaben zur konsumierten Alkoholmenge und zum Zeitpunkt des Trinkendes machen. So kann vermieden werden, dass es im Wege der Rückrechnung zum Vorwurf eines höheren Blutalkoholwertes im Tatzeitpunkt kommt. Gegenüber der Polizei gilt stets der Grundsatz: Schweigen ist Gold! Alles, was Sie sagen, kann und wird gegen Sie verwendet werden.

Nachtrunkbehauptung:

Der Schweigen-ist-Gold-Grundsatz gilt für den Beschuldigten auch dann, wenn er vorhat, eine Nachtrunkbehauptung zu machen. Denn beantwortet man die Frage nach einer Alkoholaufnahme nach dem Vorfall (Nachtrunkfrage) mit „ja“, wird die Polizei statt nur einer Blutprobe die Entnahme einer weiteren Blutprobe im Abstand von 30 Minuten veranlassen, womit eine Nachtrunkbehauptung zu widerlegen wäre.

Wenn man von der Polizei erst einige Zeit nach Beendigung einer möglichen Alkoholfahrt aufgesucht wurde, kann es für den Beschuldigten unter Umständen sinnvoll sein, sich im Ermittlungsverfahren teilweise auf die Nachfragen zum Trinkverlauf mit der Behauptung einer nach der Fahrt erfolgten weiteren Alkoholaufnahme einzulassen. Damit diese Nachtrunkbehauptung einigermaßen stichhaltig bleibt, sollte bedacht werden, dass die kurzfristige Aufnahme von Alkoholmengen über 1,0 Promille in der Regel zu stärksten Ausfallerscheinungen führt. Wer also beispielsweise mit einer festgestellten BAK von 1,4 Promille behauptet, er habe in der Stunde vor der Blutprobenentnahme noch absolut gar nichts getrunken gehabt, aber gegenüber der Polizei noch einigermaßen besonnen wirkte, wäre schlichtweg unglaubhaft. Wer aber etwa aussagt, dass er zu Hause erst einmal eine Flasche Wein genommen und sich zwei oder drei Gläser eingeschenkt habe, ohne genau sagen zu können, wie voll die Weinflasche vorher war, macht nicht viel falsch. Es sollte sich bei dem behaupteten Nachtrunk möglichst um dasselbe alkoholische Getränk handeln, das auch vor Fahrtantritt genossen wurde (zum Konsum vor Fahrantritt jedoch keine Angaben machen). Am sichersten ist es natürlich, zunächst einen Verteidiger zu beauftragen und sich erst nach erfolgter Akteneinsicht mit diesem über die Sinnhaftigkeit einer Nachtrunkbehauptung zu besprechen.

Der Nachtrunk wäre doch glatt gelogen? Kein Problem. Der Beschuldigte bzw. Angeklagte im Strafverfahren darf zu seiner Verteidigung auch lügen.
 

Christian Demuth, Düsseldorf, als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Strafrecht im Bereich Verkehrsrecht tätig: Als Beschuldiger einer Alkoholfahrt sollte man grundsätzlich keine Angaben zur konsumierten Alkoholmenge und zum Zeitpunkt des Trinkendes machen. Schweigen ist Gold!

Ihr Experte für Fragen zum Verkehrsrecht, Bußgeldrecht und Verkehrs­strafrecht

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