Absehen vom Regelfahrverbot erfordert Prüfung der Umstände und nachvollziehbare Begründung im Urteil

Dass es für ein Gericht nicht ganz einfach ist, von der Verhängung eines Regelfahrverbotes abzusehen, zeigt ein Beschluss des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm. Dieses hob eine Entscheidung des Amtsgerichts (AG) Essen auf, bei der es um eine innerörtliche Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 52 km/h ging. Das Amtsgericht hatte auf die Verhängung eines Regelfahrverbotes von zwei Monaten verzichtet und sich dabei auf die Angaben des Fahrers zu seiner beruflichen Situation sowie auf eine schriftliche Erklärung des Arbeitgebers gestützt. Aus Sicht des OLG Hamm hatte das AG jedoch hinsichtlich mehrerer Punkte versäumt, sich im Detail damit auseinanderzusetzen bzw. die tatsächlichen Gegebenheiten zu prüfen (OLG Hamm, Beschluss vom 03.03.2022, Az.: 5 RBs 48/22).
Berufliche Notwendigkeit der Fahrerlaubnis als Argument
Der betroffene Fahrer hatte geltend gemacht, als Verkaufsberater in einem Autohaus auf seine Fahrerlaubnis angewiesen zu sein. Teil seiner beruflichen Tätigkeit sei die Durchführung von Probefahrten und Überführungsfahrten von gebrauchten Fahrzeugen. Sein Arbeitgeber hatte zudem bescheinigt, dem Verkaufsberater weder einen Fahrer zur Verfügung stellen noch ihm einen zusammenhängenden Urlaub von drei Wochen gewähren zu können. Im Falle eines Fahrverbotes behielt er sich arbeitsrechtliche Schritte – einschließlich einer Kündigung – vor.
Absehen vom Fahrverbot bei unbilliger Härte
Das OLG stellte klar, dass dem Tatrichter bei einem Absehen vom Regelfahrverbot kein rechtlich ungebundenes, freies Ermessen eingeräumt ist. Vielmehr seien ihm aufgrund der in Rechtsnormen niedergelegten und von der Rechtsprechung herausgearbeiteten Kriterien sowie aufgrund des Gebotes der Gleichbehandlung und der Rechtssicherheit enge Grenzen gesetzt. Zwar kann, wie das OLG darlegte, von einem Regelfahrverbot abgesehen werden, wenn es zu einer unbilligen Härte, etwa zum Verlust des Arbeitsplatzes, führt. Das AG hatte es jedoch versäumt, in seinen Urteilsgründen eine auf Tatsachen gestützte Begründung niederzulegen, die es dem OLG ermöglicht hätte, das Vorliegen einer unbilligen Härte zu überprüfen.
Arbeitgeber nicht als Zeugen vernommen
Fehlerhaft versäumt hatte es das AG, den Arbeitgeber im Rahmen der Hauptverhandlung als Zeugen zu vernehmen. Denn dem OLG wollte sich nicht erschließen, dass es sich bei dem als B Zentrum bezeichneten Betrieb um ein so kleines Unternehmen handeln sollte, dass keine anderen personellen Regelungen hätten getroffen werden können. Zum einen hätte der Betroffene als Verkaufsberater für die Zeit des Fahrverbots rein im Innendienst, also im Verkauf, beschäftigt werden können, während ein anderer Kollege die Probefahrten hätte übernehmen können.
Gestaltung der Urlaubsregelungen zugunsten eine Fahrverbots
Darüber hinaus verwies das OLG darauf, dass laut Bundesurlaubsgesetz bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind. Etwas anderes gelte nur, wenn dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer, die unter sozialen Gesichtspunkten Vorrang verdienten, entgegenstünden. Hier hätte das AG prüfen müssen, ob es geboten sein könnte, dem Betroffenen einen zusammenhängenden Urlaub zu gewähren, um einen Teil des Fahrverbots zu überbrücken, und andere Arbeitnehmer auf andere Urlaubszeiten zu verweisen – aus in der Person des Betroffenen liegenden sozialen Gründen. Zusätzlich verwies das OLG auf die Möglichkeit eines unbezahlten Urlaubs, für den der Betroffene wegen der Kenntnis vom drohenden Fahrverbot hätte Rücklagen bilden können.
Unauffälliges Verkehrsverhalten ist Normalfall und nicht Ausnahmefall
Nicht nachvollziehen konnte das OLG zudem, dass das AG positiv berücksichtigt hatte, dass der Betroffene verkehrsrechtlich bislang nicht in Erscheinung getreten war. Dies stelle, so das OLG, keinen Sachverhalt dar, der zugunsten des Betroffenen so erheblich vom Normalfall abweiche, dass die Annahme eines Ausnahmefalls gerechtfertigt sei. Des Weiteren hatte sich das AG nicht erkennbar mit den Fragen beschäftigt, ob das Fahrverbot gegen eine Erhöhung der Geldbuße hätte verringert werden können bzw. ob wegen der vorsätzlichen Begehungsweise eine Verdopplung des Regelsatzes geboten gewesen wäre. Ferner hätte es hinterfragen müssen, ob die angedrohte Kündigung überhaupt rechtmäßig und damit überhaupt eine unbillige Härte gewesen wäre.
Christian Demuth, Düsseldorf
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