OLG Frankfurt stärkt Anforderungen an Ausnahme vom Fahrverbot
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt hat eine Entscheidung des Amtsgerichts Wiesbaden aufgehoben, das einem Berufskraftfahrer trotz erheblichen Tempoverstoßes ein Fahrverbot erspart hatte. Die Richter betonten: Ausnahmen vom Regelfahrverbot sind möglich – müssen aber fundiert begründet und auf nachweisbaren Tatsachen beruhen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 26.04.2022, Az.: 3 Ss-OWi 415/22).
Fahrverbot ist bei grobem Pflichtverstoß die Regel
Das Oberlandesgerichts Frankfurt hat mit seiner Entscheidung klare Maßstäbe vorgegeben. Danach muss, wer sich einer massiven Geschwindigkeitsüberschreitung schuldig macht, grundsätzlich mit einem Fahrverbot rechnen. Die Richter betonten, dass der Gesetzgeber in § 25 Straßenverkehrsgesetz (StVG) und der Bußgeldkatalog-Verordnung deutliche Vorgaben für Tempoverstöße formuliert hat: Ein grober Pflichtverstoß soll regelmäßig mit einem Fahrverbot geahndet werden – als notwendige „Denkzettel- und Besinnungsmaßnahme“.
Im konkreten Fall ging es um einen Berufskraftfahrer, der außerorts 43 km/h zu schnell unterwegs war. Das Amtsgericht Wiesbaden hatte von einem Fahrverbot abgesehen, weil der Betroffene sich noch in der Probezeit seines Arbeitsverhältnisses befand und eine Kündigung befürchten musste. Die Geldbuße wurde dafür von 160 € auf 320 € erhöht.
Wann ein Härtefall wirklich vorliegt
Das OLG stellte in seiner Entscheidung klar: Ein drohender Verlust des Arbeitsplatzes kann zwar eine besondere Härte darstellen – allerdings nur, wenn eine solche Gefahr auf soliden Tatsachen beruht. Es genügt nicht, die Behauptungen des Betroffenen ungeprüft zu übernehmen. Vielmehr ist das Tatgericht verpflichtet, diese Angaben kritisch zu würdigen und gegebenenfalls weitere Feststellungen zu treffen.
So könne eine ungesicherte berufliche Situation, wie sie häufig in Probezeiten besteht, grundsätzlich Anlass zur Sorge geben. Dennoch müsse ein Gericht im Einzelfall nachvollziehbar begründen, weshalb gerade dieser Betroffene konkret mit einer Kündigung rechnen muss und weshalb ihm kein anderer Weg – etwa Urlaub oder eine Umorganisation der Arbeitsabläufe – offensteht.
Gericht rügt fehlende Tatsachengrundlage
Genau diese sorgfältige Prüfung habe das Amtsgericht Wiesbaden versäumt. Die Richter am OLG bemängelten, dass die Begründung nahezu vollständig auf den Angaben des Fahrers basiere und keine eigenständigen Überlegungen enthalte. Die Formulierung, in einer Probezeit könne „in der Regel“ kein Urlaub genommen werden, bezeichnete das OLG als reine Vermutung – nicht als Feststellung.
Auch habe das Amtsgericht den Blick zu sehr auf den möglichen Arbeitsplatzverlust verengt. Nach Rechtsprechung und Gesetz seien jedoch sämtliche objektiven und subjektiven Umstände des Einzelfalls einzubeziehen, um ein Absehen vom Fahrverbot zu rechtfertigen.
Zurück an das Amtsgericht
Das OLG hob daher den Rechtsfolgenausspruch komplett auf und verwies den Fall an das Amtsgericht Wiesbaden zurück. Dort muss nun erneut geprüft werden, ob die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls erfüllt sind – und zwar auf Grundlage gesicherter Tatsachen.
Christian Demuth, Düsseldorf
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