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Fahrerlaubnisentzug gekippt: OVG NRW rügt überzogene Behördenpraxis

Geht es um die berufliche Existenz von Berufskraftfahrern ist eine Gutachtenanordnung sehr gründlich zu begründen. Bild: KI-generiert

Ein Taxifahrer aus Nordrhein-Westfalen darf seinen Führerschein zur Fahrgastbeförderung vorläufig behalten. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Nordrhein-Westfalen hat entschieden, dass die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die zuständige Behörde rechtswidrig war. Die Richter bemängelten eine unzulässige Ausweitung einer Gutachtenanordnung, auf deren Grundlage die Fahrerlaubnis entzogen worden war (OVG NRW, Beschluss vom 08.06.2022, Az.: 16 B 1237/21).

Über das Ziel hinausgeschossen

Der Fall betrifft einen Berufskraftfahrer, dem die Fahrerlaubnis zur Fahrgastbeförderung entzogen worden war, weil er ein von der Behörde angefordertes medizinisch-psychologisches Gutachten nicht beigebracht hatte. Die Behörde stützte sich auf mehrere Vorfälle, bei denen der Fahrer nach Ansicht der Polizei Verkehrsregeln missachtet und sich gegenüber Behördenmitarbeitern unangemessen verhalten hatte. Daraufhin ordnete sie ein umfassendes Gutachten an, das sowohl die charakterliche als auch die körperliche und geistige Eignung überprüfen sollte.

Nach Auffassung des OVG Nordrhein-Westfalen war diese Gutachtenanordnung rechtswidrig. Zwar könnten Zweifel an der charakterlichen Eignung zur Beförderung von Fahrgästen durchaus eine Begutachtung rechtfertigen – doch für eine Überprüfung der körperlichen oder geistigen Fahrtauglichkeit habe es keinerlei Anhaltspunkte gegeben. Damit habe die Behörde die Grenzen ihrer Befugnisse überschritten.

Unklare Anordnung benachteiligte Betroffenen

Besonders deutlich kritisierte das Gericht die Unklarheit der behördlichen Anordnung. Ein Fahrer dürfe nicht in die Lage versetzt werden, selbst rechtlich differenzieren zu müssen, welche Teile eines angeforderten Gutachtens überhaupt zulässig seien. Der Grundsatz „Unklarheiten gehen zulasten der Verwaltung“ gelte auch hier. Eine solche missverständliche und überzogene Anordnung mache die gesamte Maßnahme rechtswidrig.

In der Konsequenz durfte die Behörde dem Antragsteller nicht vorwerfen, dass er das Gutachten nicht beigebracht hatte. Somit entfiel auch die Grundlage für den Entzug der Fahrerlaubnis. Das Gericht stellte die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Entziehungsverfügung wieder her und verpflichtete die Behörde, den Führerschein zur Fahrgastbeförderung vorläufig zurückzugeben.

Signalwirkung für Fahrerlaubnisverfahren

Die Entscheidung hat über den Einzelfall hinaus Bedeutung für alle Fahrerlaubnisverfahren, bei denen Behörden Gutachten anordnen. Das OVG stellt klar, dass die Anforderungen an die Präzision und die Begründung solcher Anordnungen hoch sind – insbesondere wenn die berufliche Existenz von Fahrern auf dem Spiel steht.

Die Behörde wurde verpflichtet, sämtliche Kosten der beiden Instanzen zu tragen.

Christian Demuth, Düsseldorf
Rechtsanwalt l Fachanwalt für Strafrecht
Verkehrsrecht l Verkehrsstrafrecht l Bußgeldrecht

 

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