Ein strafrechtliches Verfahren hat Vorrang vor einer ordnungsbehördlichen Entziehung der Fahrerlaubnis
Der Gesetzgeber ist bemüht, Doppelprüfungen und sich widersprechende Entscheidungen der Strafgerichte und der Fahrerlaubnisbehörden zu vermeiden. Das hat zur Folge, dass die Fahrerlaubnisbehörde eine Fahrerlaubnis nicht entziehen kann, solange wegen des gleichen Tatbestandes ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren läuft, das ebenfalls zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen kann. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Hamburg in einem Verfahren klargestellt, bei dem es um die Folgen einer Fahrt unter Kokaineinfluss ging (VG Hamburg, Beschluss vom 09.09.2014, Az: 15 E 3299/14).
Staatsanwaltschaft und Fahrerlaubnisbehörde reagieren parallel
Die Antragstellerin war im März 2014 an einem Verkehrsunfall beteiligt. Die von ihr zugelassene Blutentnahme und die Urinprobe brachten eine Konzentration von 5,7 ng/ml Kokain und 140 ng/ml Benzoylecgonin (ein Metabolit des Kokain) zu Tage. Die Antragstellerin verfügte zu diesem Zeitpunkt über eine am 14. März 2007 ausgestellte, unbefristet gültige ausländische Fahrerlaubnis. Nach Aktenlage hatte es jedoch eine bis zum 17. Februar 2008 bestehende Fahrerlaubnissperre gegeben.
Die Staatsanwaltschaft eröffnete daher ein Strafverfahren wegen Gefährdung des Straßenverkehrs infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel gegen die Antragstellerin. Mit Bescheid vom 20. Juni 2014 meldete sich auch die Fahrerlaubnisbehörde und entzog der Antragstellerin die Fahrerlaubnis bei gleichzeitiger Anordnung der sofortigen Vollziehung. Grund waren ebenfalls die Ergebnisse der Blut- und Urinprobe. Die Antragstellerin habe ihre Nichteignung zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr bewiesen, lautete die Begründung.
Kein Abweichen von gerichtlich beantworteten Schuldfrage möglich
Dem von der Antragstellerin begehrten vorläufigen Rechtsschutz gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis gab das Verwaltungsgericht statt. Es verwies insoweit auf die Sperrwirkung des § 3 Absatz 3 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG). Danach darf die Fahrerlaubnisbehörde den Sachverhalt eines anhängigen Strafverfahrens gegen den Inhaber einer Fahrerlaubnis nicht berücksichtigen, wenn in dem Verfahren eine Entziehung der Fahrerlaubnis in Betracht kommt. Diese Regelung stelle, so das VG Hamburg, ein vorübergehendes Verfahrenshindernis dar, das nach Abschluss des Verfahrens in das Verbot des § 3 Absatz 4 StVG übergehe. Dieser regelt, dass die Fahrerlaubnisbehörde bei einem Entziehungsverfahren, dessen Sachverhalt Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren war, nicht zum Nachteil des Betroffenen von den Feststellungen und der Beurteilung der Schuldfrage durch das Gericht abweichen darf. Faktisch wird damit die Gerichtsentscheidung höher gewichtet als eine Entscheidung der Fahrerlaubnisbehörde.
Sperrwirkung des Strafverfahrens
Im konkreten Fall griff daher die Sperrwirkung des § 3 Absatz 3 StVG. Das Gericht stellte klar, dass diese Bindungswirkung ab der Einleitung eines Strafverfahrens und bis zur förmlichen Einstellung oder bis zum Abschluss des Verfahrens durch ein Strafurteil gilt. Wobei es im konkreten Fall auch unerheblich war, dass die Straßenverkehrsgefährdung zum fraglichen Zeitpunkt nicht mehr Gegenstand des Ermittlungsverfahrens war, sondern es in diesem jetzt nur noch um den Vorwurf des Fahrens ohne Fahrerlaubnis ging. Insbesondere verwehrte es das VG Hamburg der Fahrerlaubnisbehörde, die strafrechtliche Bewertung inzident vorwegzunehmen. Selbst wenn eine Einstellung des Ermittlungsverfahrens nur noch als Formalie erscheine, sei eine andere Entscheidung bis zur förmlichen Einstellung nicht ausgeschlossen.
Christian Demuth, Düsseldorf
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