Rücksichtsloses Überholen mit starkem Abbremsen ist nicht automatisch eine Nötigung
Wer innerörtlich ein anderes Fahrzeug auf der rechten Fahrspur überholt und so knapp vor diesem Fahrzeug wieder einschert, dass dessen Fahrer stark abbremsen muss, begeht nicht automatisch eine Nötigung. Wenn es dem Fahrer nicht gerade um das Ausbremsen, sondern nur darum gegangen ist, auf Kosten anderer möglichst schnell voran zu kommen, kann er sich noch im strafrechtlich nicht relevanten Bereich bewegen. Das zeigt eine Entscheidung des Kammergerichts (KG) Berlin, mit dem dieses die Verurteilung eines Angeklagten wegen Nötigung aufhob und an eine andere Abteilung des Amtsgerichts zurückverwies (KG Berlin, Beschluss vom 20.12.2016, Az.: 161 Ss 211/16).
Rücksichtslos heißt nicht automatisch strafrechtlich relevant
Der Angeklagte hatte sich durch die langsame Fahrweise des vor ihm fahrenden Pkw behindert gefühlt und das Fahrzeug rechts überholt. Danach hatte er sich knapp vor dem Fahrzeug wieder auf die linke Spur gesetzt, wodurch der andere Fahrer stark abbremsen musste. Eine Vollbremsung war allerdings nicht erforderlich gewesen. Zudem war der Angeklagte an der nächsten roten Ampel ausgestiegen, hatte sich zum Fahrer des anderen Fahrzeugs begeben und diesen ehrverletzend beschimpft. Wegen dieses Vorfalls hatte ihn das zuständige Amtsgericht zu einer Geldstrafe wegen Nötigung und Beleidigung verurteilt und ihm für die Dauer von zwei Monaten verboten, Kraftfahrzeuge jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Es konnte dem Angeklagten nicht nachgwiesen werden, dass es ihm ums Ausbremsen gegangen war
Auf die Sprungrevision des Angeklagten stellte bereits die Generalstaatsanwaltschaft, der sich das KG anschloss, in ihrer Antragsschrift zum Rechtsmittel klar, dass allein die Tatsache, dass sich ein Angeklagter in völlig rücksichtsloser Weise zur Verfolgung seiner eigenen Interessen gleichgültig über die Belange des Dritten hinwegsetzt, dieses Verhalten noch nicht zur Straftat macht. Denn laut Generalstaatanwaltschaft erfüllen erst solche Fahrer den Straftatbestand der Nötigung, die so fahren, dass die Einwirkung auf den anderen Verkehrsteilnehmer nicht die bloße Folge ihres Fahrstils ist, sondern der Zweck des verbotswidrigen Verhaltens. Es ist dann also das Ziel des Fahrers, dass der andere den Weg frei macht, bremsen muss oder nicht überholen kann. Im konkreten Fall sprach jedoch einiges dafür, dass das Ausbremsen nicht das Ziel, sondern nur eine Folge rücksichtslosen Überholen war. Zumindest konnte die Einlassung des Eingeklagten auch so gedeutet werden. Und es war aus dem Urteil der ersten Instanz nicht ersichtlich, woraus das Amtsgericht den Schluss gezogen hatte, es sei dem Angeklagten gerade um das Ausbremsen gegangen.
Gleichwohl blieb eine Behinderung des anderen Fahrers übrig
Das KG stellt in Übereinstimmung mit der Generalsstaatanwaltschaft aber auch klar, dass die vom Amtsgericht abweichende Bewertung nicht gleich zu einem Freispruch des Angeklagten führen konnte. Denn sein Verhalten stellte immerhin noch eine nicht verjährte Ordnungswidrigkeit dar, da der Angeklagte den anderen Fahrer behindert hatte. Laut Straßenverkehrsordnung darf derjenige, der überholt, denjenigen, der überholt wird, nicht behindern.
Verhängung des Fahrverbotes aufgehoben
Im Ergebnis musste dann auch die Verhängung des Fahrverbotes aufgehoben werden, da diese nicht ausschließlich auf der Beleidigung basierte, sondern sich das Amtsgericht hierfür auch auf die rechtsfehlerhaft angenommene Straftat der Nötigung gestützt hatte.
Christian Demuth, Düsseldorf
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